23.2. Schwefeldioxid

Schwefeldioxid ist eines der beiden Oxide des Schwefels. Es gehört zur Klasse der anorganischen Verbindungen und hat die Formel SO2. Ein anderer Name ist Schwefel–IV–oxid.

Strukturformel von Schwefeldioxid Schwefeldioxidmolekül

Bild 1 :
Strukturformel von
Schwefeldioxid

Bild 2 :
Schwefeldioxid–Molekül
Schwefeldioxidmolekül interaktiv

 

Ansehen : Starten Sie die JSmol–Visualisierung durch Anklicken des Links unter dem Schwefeldioxidmolekül.

23.2.1. Struktur

Koordination : Das Schwefeldioxidmolekül ist nicht, wie man im ersten Moment vermuten könnte, linear, sondern gewinkelt aufgebaut. Das Schwefelatom befindet sich im Zentrum, die beiden Sauerstoffatome sind an das Schwefelatom gebunden. Die beiden Bindungen bilden einen Winkel von 119,5° .

Aggregatzustände : Während sich die Moleküle im gasförmigen Zustand (wie in allen Gasen) regellos im Raum bewegen, lagern sie sich im festen Zustand zu einem Kristall zusammen.

23.2.2. Herstellung

Es gibt 3 Arten, wie man Schwefeldioxid herstellen kann.

23.2.2.1. Die elegante Methode

Man verbrennt Schwefel. Wer jetzt denkt, da werden in einen großen Behälter ein paar Sack Schwefel gekippt und dann angezündet, der liegt total falsch. Natürlich macht man es viel geschickter. Zuerst wird Schwefel auf etwa 150°C erhitzt. Bei dieser Temperatur ist er flüssig. Den flüssigen Schwefel sprüht man mit Hilfe von Düsen in eine Brennkammer. Er bildet dort fein verteilte Tröpfchen, die mit zugeführter Luft sowohl schnell als auch vollständig reagieren, und schon ist das Schwefeldioxid da.

Es läuft die Reaktion S + O2 SO2 + 297 kJ ab.

Warum ist dieses Verfahren besonders elegant ? Es gibt mehrere Gründe.

Zusatzinformationen.

23.2.2.2. Die altertümliche Methode

Ausgangsstoffe sind schwefelhaltige Erze, in erster Linie Zinkblende, Bleiglanz und Kupferkies (sie enthalten ZnS, PbS und CuFeS2), außerdem Pyrit (FeS2). Aus diesen Erzen möchte man die Metalle Zink, Blei, Kupfer und Eisen gewinnen. Das dazu benutzte Verfahren heißt Rösten. Beim Rösten werden die zu kleinen Brocken gemahlenen Erze in spezielle Öfen gegeben, wo durch Verwirbeln, Rühren oder ähnliche Verfahren dafür gesorgt wird, dass die Erzbrocken ständig in Bewegung bleiben. Nur so kann man erreichen, dass der ganze Brocken reagiert, nicht nur die Oberfläche. Nun wird bei hoher Temperatur (etwa 650°C bis 900°C) Luft eingeblasen, und die Sulfide reagieren.

Folgende Reaktionen laufen ab.
2 ZnS + 3 O2 2 ZnO + 2 SO2 + 699 kJ
2 PbS + 3 O2 2 PbO + 2 SO2
6 CuFeS2 + 13 O2 3 Cu2S + 2 Fe3O4 + 9 SO2
4 FeS2 + 11 O2 2 Fe2O3 + 8 SO2 + 3310 kJ

Welche Nachteile hat dieses Verfahren ? Es entsteht bei allen 4 Reaktionen Schwefeldioxid. Einen Haken hat die Sache aber. In der Gleichung steht als einziger gasförmiger Stoff Schwefeldioxid, und man könnte denken, aus den Öfen entweicht nichts anderes als Schwefeldioxid, vielleicht noch etwas unverbrauchte Luft. Das ist aber nicht so. Die entstehenden Gase heißen Röstgas und enthalten 2 Arten von Verunreinigungen :

Die Herstellung von Schwefeldioxid durch Rösten ist ein umständliches, mühseliges und damit auch teures Vorhaben. Der einzige Grund, weshalb man es überhaupt macht, ist, dass das Rösten ja wegen der Metallgewinnung gemacht wird, und Schwefeldioxid als unvermeidliches Abfallprodukt sowieso anfällt.

Zusatzinformationen zu einigen der oben genannten Stoffe.

23.2.2.3. Die umweltfreundliche Methode

Bei vielen chemischen Prozessen entsteht verunreinigte Schwefelsäure. Anstatt dieses Abfallprodukt wegzuschütten, arbeitet man es auf. Dabei erhält man Schwefelsäure und Schwefeldioxid.

Bei der Herstellung von Titandioxid, dem wichtigsten weißen Farbpigment, entstehen große Mengen verdünnter und mit Eisensulfat verunreinigter Schwefelsäure, die sog. Dünnsäure. Früher hat man diese Dünnsäure ins Meer geschüttet, heute zum Glück nicht mehr. Auch beim Recycling von Dünnsäure entstehen Schwefelsäure und Schwefeldioxid.

Beide Verfahren sind energieaufwendig und teuer. Ihre Rechtfertigung erhalten sie nur durch die Vermeidung von Umweltbelastungen.

Zusatzinformationen.

Die Links dieser Seite (auch die weiter unten folgenden) wurden zuletzt im April 2025 überprüft.

23.2.3. Verwendung

Weitere Verwendungsmöglichkeiten von Schwefeldioxid sind zum Teil eher unspektakulär, aber von der Menge her bedeutend. Andere sind bekannter, spielen aber mengenmäßig nur eine kleine Rolle. Zu den ersten gehört die Herstellung einer Reihe von Zwischenprodukten der chemischen Industrie, die dann an anderer Stelle eingesetzt werden.

Schwefeldioxid selbst wird zum Desinfizieren von Weinfässern und zum Haltbarmachen von Lebensmitteln benutzt. Da es giftig ist, ist sein Einsatz in diesen Bereichen umstritten.

23.2.4. Schwefeldioxid in der Umwelt

Schritt 1 : Wie kommt Schwefeldioxid in die Umwelt ?

Es gibt 2 Quellen, aus denen Schwefeldioxid in die Luft gelangen kann. Die eine ist natürlichen Ursprungs. Durch Vulkanausbrüche wird eine große Menge von Schwefeldioxid in die Atmosphäre gebracht. Schätzungen für den weltweiten natürlichen Ausstoß liegen zwischen 2 und 20 Millionen Tonnen pro Jahr.

Die andere Quelle ist anthropogen, d.h. vom Menschen stammend. Es ist die Verbrennung fossiler Brennstoffe, also von Kohle und Öl. Hier schätzt man, dass pro Jahr weltweit zwischen 80 und 100 Millionen Tonnen Schwefeldioxid entstehen. Das anthropogene Schwefeldioxid macht also den ganz überwiegenden Anteil am Schwefeldioxid in der Atmosphäre aus.

Schritt 2 : Was passiert mit dem Schwefeldioxid in der Atmosphäre ?

Hier gibt es mehrere Wege. Einmal kann das Schwefeldioxid durch den Regen aus der Atmosphäre ausgewaschen Werden. Das heißt, Schwefeldioxid löst sich in Regentropfen, aber auch in Nebeltröpfchen oder in den Wassertröpfchen der Wolken auf. Sobald die Tropfen auf den Boden fallen, aber auch, wenn sie auf Gebäude fallen oder von Menschen eingeatmet werden, ist das Schwefeldioxid aus der Atmosphäre entfernt. Das heißt aber nicht, dass es nun keine Wirkung mehr hat – mehr dazu weiter unten. Diese Vorgänge laufen relativ schnell ab, die Verweilzeit von Schwefeldioxid in der Atmosphäre beträgt nur wenige Tage.

Andererseits kann das Schwefeldioxid zu Schwefelsäure reagieren, die dann mit dem Regen ausgewaschen wird. Neben diesem photochemischen Weg (d.h. er wird durch energiereiche Strahlung, die in diesem Fall von der Sonne kommt, ausgelöst) ist ein zweiter Weg der Schwefelsäurebildung möglich. In stark verunreinigter Luft, und besonders im Winter, wenn durch Verbrennung von Kohle und Öl viel Schwefeldioxid entsteht, sind viele Rußteilchen und schwermetallhaltige Staubteilchen in der Luft. Sie wirken als Katalysator und beschleunigen die Reaktion von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid, das dann weiter zu Schwefelsäure reagiert.

Schritt 3 : Welche Wirkungen haben Schwefeldioxid und Schwefelsäure, wenn sie aus der Atmosphäre ausgewaschen werden ?

Beide sind Bestandteile des Sauren Regens. Zu den unmittelbaren Auswirkungen gehören Waldsterben und Bodenversauerung.

Andere Auswirkungen waren weit katastrophaler. Im Dezember 1952 starben bei der deutsche Flagge Londoner Smog–Katastrophe etwa 12.000 Menschen. Sie wurde ausgelöst durch ein Zusammentreffen von einem besonders hohen Schwefeldioxid–Gehalt der Luft und einer Inversionswetterlage, die dafür sorgte, dass das Schwefeldioxid weder in höhere Luftschichten aufsteigen konnte noch vom Wind weggeweht wurde. Diese Katastrophe war des Beginn des Umdenkens im Umgang mit Luftverschmutzung.

23.2.5. Physikalische Eigenschaften

Pinselstrich
Steckbrief Schwefeldioxid
Summenformel SO2
Schmelzpunkt –75,5 °C
Siedepunkt –10,05 °C
Dichte
  fest, am Schmelzpunkt 1,46 g/cm3
  flüssig, am Siedepunkt 1,458 g/cm3
  gasförmig, am Siedepunkt, 1013 mbar 3,049 g/l
  gasförmig, bei 15 °C, 1013 mbar 2,77 g/l
Löslichkeit in Wasser bei 0 °C und 1 atm 228 g/l
Löslichkeit in Wasser bei 20 °C und 1 atm 94 g/l
Kritische Temperatur 157,6 °C
Kritischer Druck 7,884 MPa (78,84 bar)
Kritisches molares Volumen 122 cm3/mol
Aussehen farblos
Geruch stechend
CAS–Nr. 7446–09–5
Pinselstrich

23.2.6. Die Kristallstruktur von Schwefeldioxid

Kristallstruktur von Schwefeldioxid

Bild 3 : Schwefeldioxid–Kristall, Ausschnitt. Farbcodierung :
Schwefel, Sauerstoff.
Daten aus L–270. Bildnachweis.

Die Kristallstruktur wurde bereits 1952 bestimmt und in L–270 veröffentlicht. Auf den Informationen und Daten dieses Artikel ist auch der folgende Text aufgebaut.

Bild 3 zeigt einen kleinen Ausschnitt aus einem Schwefeldioxid–Kristall. Natürlich ist der Kristall aus Schwefeldioxid–Molekülen aufgebaut. Auf dem Bild sind (ganz oder teilweise) um 30 solcher Moleküle zu sehen. Man erhält leicht den Eindruck, die Moleküle sind recht symmetrisch angeordnet. Damit sind die meisten erst mal zufrieden, denn so soll es in einem Kristall ja sein.

Versucht man, zu beschreiben, wie die Moleküle im Kristall liegen, kann man 3 Eigenschaften der Struktur, so wie man sie in Bild 3 sieht, bennenen.

Kristallstruktur von Schwefeldioxid

Bild 4 : Schwefeldioxid–Kristall, Aus­schnitt, gegenüber Bild 3 um 45° um die y–Achse gedreht. Farbcodierung :
Schwefel, Sauerstoff.
Daten aus L–270. Bildnachweis.

Kristallstruktur von Schwefeldioxid

Bild 5 : Schwefeldioxid–Kristall, Aus­schnitt, gegenüber Bild 4 um 60° um die x–Achse gedreht. Farbcodierung :
Schwefel, Sauerstoff.
Daten aus L–270. Bildnachweis.

Schein oder Realität ? In der Erklärung zu Bild 3 habe ich mehrmals defensive Formulierungen der Art „wie man es im Bild sieht” gewählt. Und es ist ja auch wirklich so. Mit einer geschickt gewählten Perspektive kann man tatsächlich vorhandene Zusammenhänge deutlich machen, aber man kann die Betrachtenden auch auf falsche Fährten locken. In den Bildern 3 bis 5 (wie auch in allen anderen Bildern meiner Internetseiten) versuche ich, die Fakten (also das, was wirklich vorhanden ist) deutlich zu machen und anschaulich darzustellen.

Die Schwefeldioxid–Moleküle im Schwefeldioxid–Kristall sind wirklich in 2 annähernd senkrecht aufeinander stehenden Raumrichtungen gestapelt und bilden (aus der passenden Richtung betrachtet) ein Fischgrät–Muster.

Zwei Dinge fallen jedoch auf. Die Schwefeldioxid–Moleküle in Bild 3 sehen aus, als wären sie linear. Aus Bild 2 können sie aber erkennen, dass die Moleküle gewinkelt sind, mit einem Bindungswinkel von knapp 120°. Das lineare Aussehen ist nur eine optische Täuschung, hervorgerufen durch die Blickrichtung. Man blickt sehr flach auf die Ebene aus den 3 Atomen des Moleküls – und das gilt für alle Moleküle, egal welche Orientierung sie haben. Das ist erklärungsbedürftig.

Bei der zweiten Auffälligkeit geht es um die Sauerstoff–Atome. Das Schwefeldioxid–Molekül ist polar (→ Kapitel 5.6 über Dipolkräfte). Alle Sauerstoff–Atome tragen eine negative Teilladung und stoßen sich ab. In Bild 3 scheint es, als würden sie direkt nebeneinander liegen. Das ist erklärungsbedürftig.

Klärung 1 – Linearität. – Zuerst habe ich die Szene aus Bild 3 um etwa 45° um die y–Achse (sie verläuft in der Bildebene von oben nach unten) gedreht. Bild 4 zeigt, wie der Schwefeldioxid–Kristall nun aussieht. Die Moleküle sind ein wenig gewinkelt (mehr ist bei einem so kleinen Drehwinkel nicht zu erwarten).

Klärung 2 – Polarität. – Danach habe ich die Szene aus Bild 4 um etwa 60° um die x–Achse (sie verläuft in der Bildebene von links nach rechts) gedreht. Bild 5 zeigt, wie der Schwefeldioxid–Kristall nun aussieht. Nicht nur, dass die Schwefeldioxid–Moleküle nun deutlich gewinkelt sind, die Szene hat sich auch radikal verändert. Fast alle Sauerstoff–Atome (rot gezeichnet) haben nun ein Schwefel–Atom eines anderen Moleküls als Nachbar. Bei den übrigen ist das auch der Fall, nur sieht man es in Bild 5 nicht – eine perspektivische Täuschung.

Woher kommt es, dass die Szene in Bild 5 so radikal anders aussieht als in Bild 4 ? Die (scheinbaren) Reihen von Molekülen in Bild 5 sind entstanden, indem Moleküle aus (scheinbaren) Reihen von Molekülen in Bild 4 durch die Drehung nun nebeneinander liegen. Die Moleküle in verschiedenen Reihen von Bild 4 haben unterschiedliche Orientierung, und deshalb haben die Moleküle in einer Reihe von Bild 5 unterschiedliche Orientierung. Oder anders gesagt, die unterschiedliche Orientierung der Moleküle in einer Molekülreihe in Bild 5 hat ihren Ursprung in der Herkunft der Moleküle aus unterschiedlichen Reihen (mit unterschiedlicher Orientierung) in Bild 4.

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